Die beispielhaft vorgenommene Analyse des Autos zeigt, dass die Methode des ontogenetischen Denkens keine besondere intellektuelle Herausforderung ist. Trotzdem unterscheidet sie sich vom üblichen Vorgehen in der Wissenschaft. Wieso?

Wissenschaftsdisziplinen nutzen meist vorrangig eine der drei Betrachtungsperspektiven, manchmal auch zwei und selten alle drei, aber nie gleichwertig und vollständig miteinander integriert. Die Biologie ist ein Paradebeispiel für eine Wissenschaftsdisziplin, die lange Zeit auf das Sammeln und Klassifizieren von Beobachtungen beschränkt war. Mit der Evolutionstheorie kam die historische Perspektive und mit der Molekularbiologie die ontologische Betrachtungsebene hinzu, aber im Vergleich zu Physik und Chemie muss man der Biologie unverändert ein Theoriedefizit attestieren. In der Physik und der Chemie sind der empirisch-phänomenologische und der theoretisch-ontologische Zugang als gleichwertig anerkannt und über ein fruchtbares Wechselspiel von Theorie und Experiment miteinander verbunden, während die geschichtliche Perspektive außer in der Kosmologie absolut keine Rolle spielt. Naturgeschichte ist kein anerkanntes akademisches Fach und wird bloß für das Laienpublikum in Naturkundemuseen und populärwissenschaftlichen Abhandlungen thematisiert. Die Geschichtswissenschaft hingegen ist vollkommen auf die zeitliche Perspektive fokussiert und sammelt unablässig Fakten zur Historie menschlicher Gesellschaften, dagegen wird die Möglichkeit zur Bildung von Geschichtstheorien von den heutigen Vertretern des Fachs weitgehend verneint. Sozialwissenschaften wie Soziologie, Politologie und Ökonomie wiederum blenden die historische Perspektive weitgehend aus.

Da es an einer gleichwertigen Berücksichtigung und Verzahnung der empirisch-phänomenologischen, theoretisch-ontologischen und historisch-genealogischen Betrachtungsperspektive in den heutigen Wissenschaften fehlt, greifen deren Erklärungen in manchen Fällen zu kurz und lassen Lücken übrig. Wir sind überzeugt, dass die Methode des ontogenetischen Denkens ein geeignetes Werkzeug ist, um Hypothesen abzuleiten, wie bisher schlecht oder gar nicht erklärbare Phänomene zustande kommen. 

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