Die moderne mathematische Beschreibung der Physik stellt Symmetrien in den Mittelpunkt. Physikalische Theorien gelten aufgrund ihrer Symmetrien als schön. Um welche Symmetrien handelt es sich und woher kommen diese?

Einen großen Beitrag zum Verständnis der Symmetrien in der Physik hat die geniale Mathematikerin Emmy Noether (1882-1935) geleistet. Das nach ihr benannte Noether-Theorem besagt nämlich, dass jede Symmetrie in einem mathematischen Funktionenraum zu einer Erhaltungsgröße führt. Invarianz gegenüber Translation in der Zeit führt zur Erhaltungsgröße der Energie, die Impulserhaltung ist eine Konsequenz aus der Translationsinvarianz entlang einer Raumdimension und die Drehimpulserhaltung ist eine Folge der Rotationsinvarianz des dreidimensionalen Raumes. Translationsinvarianz der Zeit bedeutet, dass die mathematischen Gleichungen, die das physikalische Geschehen beschreiben, unabhängig vom konkreten Betrachtungszeitpunkt immer gleich sind. Translationsinvarianz des Raumes bedeutet, dass die physikalischen Gesetze an jedem Ort des Raumes gleich sind. Rotationsinvarianz des Raumes bedeutet, dass die physikalischen Gesetze in jeder Richtung des Raumes gleich sind. 

Doch woher rühren diese Symmetrien? 

Hinsichtlich der Translationsinvarianz der physikalischen Gesetze gegenüber Zeit und Raum und der Rotationsinvarianz des Raumes könnte man argumentieren, dass diese Symmetrie-Eigenschaften eine zwingende Folge unseres menschengemachten Anspruchs an wissenschaftliche Erkenntnisse sind, unabhängig von unserem jeweiligen Standort in Raum und Zeit gültig zu sein. Die physikalischen Gesetze sollen sich nicht ändern, wenn die Zeit voranschreitet oder ein Beobachter sich im Raum bewegt. Aus diesen Erkenntnisanforderungen ergeben sich mathematisch zwingend Erhaltungsgrößen, die wir Energie, Impuls und Drehimpuls nennen. Mit Immanuel Kant könnte man daher sagen, diese Erhaltungsgrößen sind a priori gewiss, denn sie sind eine direkte Folge unserer Erkenntnisbedingungen. Der Energie-Erhaltungssatz ist also keine überraschende Erkenntnis über das Wesen der Natur, sondern eine schlichte Folge des Anspruchs an unsere physikalischen Theorien, unabhängig vom jeweiligen Zeitpunkt gleichermaßen zu gelten. Aus der Forderung nach Translationsinvarianz der Zeit folgt die Erhaltungsgröße die Energie.

Bemerkenswert ist allerdings, dass es uns gelingt, tatsächlich auch Messgeräte zu bauen, die diese Erhaltungsgrößen messen können. Wenn wir unsere Messgeräte „falsch“ bauen würden, könnten wir die theoretisch postulierten Erhaltungssätze nicht empirisch bestätigen. Wenn wir beispielsweise wie die frühen Ägypter die Einteilung der Zeit in Stunden so vornehmen würden, dass jeweils der helle Tag in 12 Stunden und die dunkle Nacht in 12 Stunden aufteilen würden, hätte eine Stunde je nach Jahreszeit oder geografischer Lage des Ortes eine andere Länge. Mit einer solchen Uhr gemessen würde z.B. bei Pendelbewegungen weder Energie- noch Impuls­erhaltung empirisch beobachtet werden. In der Praxis der Naturwissenschaften werden empirische Messverfahren und theoretische Überlegungen sukzessive so aneinander angeglichen, dass sie zueinander passen. Die Empirie ist folglich kein neutraler Richter über die Theorie. Vielmehr bestimmt die Theorie, was sich zu messen lohnt.

Unsere menschengemachten Ansprüche an wissenschaftliche Erkenntnisse können allein also noch nicht dafür sorgen, dass sich die Natur in unseren Messapparaten so verhält, wie wir es von ihr erwarten. Noch deutlicher wird dies bei anderen Symmetrien und Erhaltungsgrößen: Aus welcher Erkenntnisbedingung sollte beispielsweise logisch zwingend folgen, dass wir bei allen Experimenten eine Erhaltung der elektrischen Ladung beobachten? Dass die Summe aus positiven und negativen elektrischen Ladungen unveränderlich ist, kann nicht ausschließlich aus unseren Erkenntnisbedingungen resultieren, sondern muss etwas mit der Natur der Sache zu tun haben. Damit rückt eine andere Erklärungsoption in den Blick: Wir machen die Existenz eines bestimmten Elementarteilchens ja unter anderem daran fest, dass es eine bestimmte elektrische Ladung trägt. Die Erhaltungsgrößen könnten mithin die definierenden Eigenschaften für die Grundelemente sein, aus denen die Welt aufgebaut ist. Wir hatten bereits zuvor postuliert, dass man alle bekannten Elementarteilchen auf ein einziges Universalteilchen zurückführen kann, dessen Verhalten sich wie ein autonomer Agent beschreiben lässt. Dieses Universalteilchen müsste demnach durch seine innere Konfiguration, aus der die Quantenzahlen für die elektrische, schwache und starke Ladung resultieren, sowie seine Energie, seinen Impuls und seinen Drehimpuls definiert sein. Die Symmetrie-Eigenschaften von Raum und Zeit wären dann nicht die Ursache der Erhaltungssätze für Energie, Impuls und Drehimpuls, sondern aus den definitorischen Merkmalen der Universalteilchen folgen die Translationsinvarianz von Raum und Zeit sowie die Rotationsinvarianz des Raumes. Interessanterweise ist der Ort kein definitorisches Merkmal der Universalteilchen, denn der Ort eines Objekts ist zum einen zeitlich veränderlich und zum anderen haben die postulierten Universalteilchen keinen fixierten Ort im Raum, sondern füllen den Raum vollständig aus. 

Dieses Denkergebnis ist konsistent mit der eingangs geäußerten Überzeugung, dass Raum und Zeit nicht die Bühne des physikalischen Weltgeschehens bilden, sondern erst aus dem Verhalten der Grundbausteine des Universums resultieren.

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