Beginne jeden Tag damit, eine Lieblingshypothese infrage zu stellen.

Werner Heisenberg (1901-1976)

Die meisten Menschen neigen normalerweise dazu, nach Bestätigungen für ihre eigenen Überzeugungen zu suchen. Damit gleitet das Denken auf den immergleichen Bahnen entlang. Will man auf neue Gedanken kommen, muss man die Routinen des Denkens durchbrechen. 

Als Lockerungsübung empfahl der Nobelpreisträger Werner Heisenberg, jeden Morgen eine Lieblingshypothese zu opfern. Statt zu fragen, wo die anderen falsch liegen, sollte man sich fragen, wo man selbst eine falsche Annahme getroffen hat. Die Suche nach eigenen Denkfehlern und falschen Grundannahmen ist jedoch keine leichte Übung. Man sieht eher den Dorn im Auge des anderen als den Balken vor dem eigenen Auge, wie schon in der Bibel geschrieben steht. Die eigenen blinden Flecken zu erkennen, ist schwierig, aber die Suche danach lohnt sich, wenn man sich geistig weiterentwickeln will.

Auch die Wissenschaften sind voll von impliziten Annahmen, die nicht mehr hinterfragt werden. Beispielsweise sind Physiker davon überzeugt, dass sich alle fundamentalen Kräfte durch Felder beschreiben lassen. Man ist damit bei der Beschreibung von elektrischen und magnetischen Erscheinungen erfolgreich gewesen, daher ist es naheliegend, dass man mit diesem Ansatz auch bei den Kräften im Atomkern oder der Schwerkraft weiterkommt. Zwar ist der Feldbegriff bloß eine theoretische Vorstellung und man kann Felder nicht unmittelbar beobachten, aber die Macht der Gewohnheit hat dazu geführt, Felder für genauso real zu halten wie die Masse oder die Geschwindigkeit von Körpern, die man direkt messen kann.

Um sich der Macht von Denkgewohnheiten bewusst zu werden und davon zu emanzipieren, ist es von Zeit zu Zeit ratsam, sich zu vergegenwärtigen, welche impliziten Annahmen in den eigenen Überlegungen bzw. benutzten Theorien stecken. Dabei wird man  auf mancherlei Widersprüche im eigenen Denken und den verwendeten Theoriegebäuden stoßen.

Es muss einem aber bewusst sein, dass man sich außerhalb der üblichen Kommunikation stellt, wenn man eine allgemein geteilte Annahme aufgibt. Deshalb wird man die geänderten Annahmen sehr explizit kommunizieren müssen. Voraussichtlich wird man auch Schwierigkeiten haben, andere von diesem Schritt zu überzeugen. Nur wenn man die Änderung mit einem wesentlichen Nutzen begründen kann, wird es gelingen, andere zum Folgen zu überzeugen. Ein solcher Nutzen kann dabei sowohl eine praktische Anwendung sein als auch die Lösung eines anerkannten wissenschaftlichen Problems - im Idealfall sogar beides.

Kommentare powered by CComment