Alle Elementarteilchen besitzen eine Eigenschaft, die Spin genannt und als Eigendrehimpuls des Teilchens interpretiert wird. In der klassischen Mechanik ist mit jedem Drehimpuls eine Rotationsenergie verbunden. Ist mit dem Spin der Elementarteilchen ebenfalls eine Rotationsenergie verbunden? Falls ja, wie groß ist diese?

Das Konzept des Spins wurde 1925 von den jungen Physikern Samuel Goudsmit (1902-1978) und George Uhlenbeck (1900-1988) vorgeschlagen, um die Aufspaltung der Elektronenbahnen in einem Atom beim Anlegen eines Magnetfelds erklären zu können. Später stellte sich heraus, dass nicht nur Elektronen einen Spin tragen, sondern alle Elementarteilchen. Die Deutung des Spins im Denkrahmen der klassischen Mechanik führt jedoch zu Widersprüchen, die schon Goudsmith und Uhlenbeck bewusst waren. Die beiden wollten deshalb ihr bereits eingereichtes Manuskript vor der Publikation wieder zurückziehen. Ihr akademische Lehrer Paul Ehrenfest soll sie jedoch mit den Worten "Sie sind jung genug, um sich eine Dummheit leisten zu können." dazu bewegt haben, die Bedenken zurückzustellen. Heute ist das Konzept des Spins allgemein anerkannter und bewährter Bestandteil der Teilchenphysik, ohne dass die altbekannten Widersprüche zufriedenstellend aufgelöst worden sind.


Auf eine dieser bekannten Schwierigkeiten stößt man, wenn man versucht, die Rotationsenergie zu bestimmen, die mit dem Spin eines Elektrons verbunden ist: Nehmen wir dafür an, Elektronen seien rotierende homogene Kugeln. Die Masse eines Elektrons lässt sich experimentell bestimmen und beträgt me = 9,1 ⋅ 10-31 kg. Aus der Elektrodynamik kann man einen theoretischen Radius für das Elektron herleiten, den sogenannten "klassischen Elektronenradius" re = 2,8 ⋅ 10-15 m. Experimente, um den Elektronenradius zu bestimmen, haben zu dem Ergebnis geführt, dass der Radius des Elektrons sogar noch wesentlich kleiner sein muss, nämlich kleiner als 10-22 m, sofern die Vorstellung es ausgedehnten Teilchens überhaupt sinnvoll ist. Das Trägheitsmoment einer homogenen Kugel beträgt gemäß der klassischen Mechanik JKugel = 2/5 ⋅ r2 und die Rotationsenergie Erot = 1/2 ⋅ L2 / J. Setzt man nun für L den Spin h/4π und das Trägheitsmoment J einer rotierenden Kugel mit Radius re und Masse me ein, so erhält man für die Rotationsenergie Erot1/2 ⋅ L2 / (2/5 ⋅ me ⋅ re2) = 2 ⋅ 10−9  J. Vergleicht man dieses Ergebnis mit der Ruheenergie E = me c2 = 8,1 ⋅ 10-14 J, so stellt man fest, dass die Rotationsenergie um mehrere Größenordnungen größer sein müsste als das Energieäquivalent seiner Ruhemasse. Mit der heute bekannten, experimentell bestimmten Obergrenze für den Elektronenradius von 10-22 m wird die Abweichung noch weitaus krasser.

Eine andere Überlegung führt darauf, dass die Rotation des Elektrons so schnell erfolgen müsste, dass seine Umfangsgeschwindigkeit ein Vielfaches der Lichtgeschwindigkeit betragen würde, was mit der Relativitätstheorie unvereinbar ist: Die Umfangsgeschwindigkeit vu am Äquator einer rotierenden Kugel ergibt sich in der klassischen Mechanik aus vu = r ⋅ ω  mit ω = L / JKugel. Setzt man wieder die oben benutzten Werte für das Elektron ein, erhält man vu ≈ 1011 m/s. Dieser Wert ist deutlich größer als die Lichtgeschwindigkeit von 3 108 m/s.  


Die Modellvorstellung, dass ein Elektron einer rotierenden massebehafteten Kugel gleicht, führt also in eklatante Widersprüche. Üblicherweise wird daher postuliert, dass sich der Spin nicht klassisch interpretieren lässt, sondern ein Effekt der relativistischen Quantenmechanik ist. Damit einher geht die selten explizit ausgesprochene Konsequenz, dass mit dem Spin der Elementarteilchen keine Rotationsenergie verbunden ist. Dies erscheint uns jedoch unphysikalisch, da ansonsten jegliche Rotation auch eine Rotationsenergie zur Folge hat. Gibt es daher einen anderen Ausweg, um die aufgezeigten Widersprüche bei der Deutung des Spins aufzulösen? 

 

Mögliche Lösungsansätze:

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