Elementarteilchen wie das Elektron haben die sonderbare Eigenschaft, dass sie erst nach zwei kompletten Drehungen wieder mit sich identisch sind. Gibt es für dieses Phänomen eine anschauliche Erklärung?
Alle Elementarteilchen haben eine Eigenschaft, die von den Physikern "Spin" genannt wird. Anschaulich lässt sich der Spin als ein innerer Drehimpuls der Teilchen verstehen. Bemerkenswerterweise haben alle Elementarteilchen einen Spin, dessen Wert ein Vielfaches von ħ beträgt. Das Symbol ħ steht für das "reduzierte Plancksche Wirkungsquantum", dessen experimentell gemessener Wert 1,055 · 10-34 Js beträgt.
Elementarteilchen und zusammengesetzte Teilchen, deren Spin ein ungeradzahliges Vielfaches von ½ħ beträgt, werden "Fermi-Teilchen" oder kurz "Fermionen" genannt. Benannt sind sie nach dem italienischen Kernphysiker Enrico Fermi (1901-1954). Zu dieser Gruppe zählen alle Elementarteilchen, aus denen die materielle Welt aufgebaut ist, wie die Elektronen und die Quarks. Fermi-Teilchen der gleichen Sorte können nicht in allen Eigenschaften übereinstimmen - daraus resultiert das nach Wolfgang Pauli (1900-1958) benannte Ausschließungsprinzip, wonach zwei Elektronen in der Hülle eines Atoms sich in mindestens einer Quantenzahl unterscheiden müssen.
Teilchen hingegen, die nach dem indischen Physiker Satyendranath Bose (1894-1974) als "Bosonen" bezeichnet werden und deren Spin ein geradzahliges Vielfaches von ½ħ beträgt, können in allen Quantenzahlen übereinstimmen. Daher lassen sich Lichtteilchen (Photonen) mit identischen Schwingungseigenschaften überlagern, was man sich in Lasern zunutze macht. Außer den Photonen gehören auch die weiteren Wechselwirkungsteilchen, die mit den physikalischen Grundkräften wie der starken und schwachen Wechselwirkung verbunden sind, zu den Bosonen.
Fermionen und Bosonen unterscheiden sich noch in einem weiteren bemerkenswerten Punkt, den der bekannte Physiker Stephen Hawking (1942-2018) in seinem Buch Eine kurze Geschichte der Zeit mit einer Analogie veranschaulicht hat: „Ein Teilchen mit dem Spin 0 ist ein Punkt: Es sieht aus allen Richtungen gleich aus. Ein Teilchen mit dem Spin 1 ist dagegen wie ein Pfeil: Es sieht aus verschiedenen Richtungen verschieden aus. Nur bei einer vollständigen Umdrehung (360 Grad) sieht das Teilchen wieder gleich aus. [Zudem gibt] es Teilchen […], die nach einer Umdrehung noch nicht wieder gleich aussehen: Es sind dazu vielmehr zwei Umdrehungen erforderlich! Der Spin solcher Teilchen wird mit ½ angegeben.“
Lässt sich eine anschauliche Erklärung dafür finden, warum Fermionen mit dem Spin ½ħ erst nach einer Umdrehung von 720° wieder mit sich identisch sind, während bei Bosonen mit dem Spin ħ dafür nur eine Rotation um 360° erforderlich ist?
Kommentare powered by CComment