Die prähistorische Stätte Merrivale im südenglischen Dartmoor ist zwar weit weniger bekannt als Carnac oder Stonehenge, hat aber nicht weniger zu bieten: Zu bestaunen gibt es Steinreihen und Steinkreise, Menhire, Grabkammern und Fundamente von Rundhütten. 

Doppelsteinreihen

Nördliche Steinreihe in Merivalle

Von besonderem Interesse für unseren Vergleich mit Carnac sind die beiden Doppelsteinreihen, die man in Merrivale sehen kann. Diese beiden Doppelsteinreihen verlaufen in Ost-West-Richtung auf der Flanke eines langgestreckten Hügels. Zwischen den beiden Doppelstreinreihen fließt ein kleiner Bach, dessen Verlaufsrichtung und seine Einfassung aus Steinen auf eine künstliche Anlage hindeuten. Die nördliche Doppelsteinreihe ist 180 m lang und ragt kaum kniehoch aus der Graslandschaft, wobei die Steine ungefähr einen Meter Abstand zwischen den beiden Reihen aufweisen. Die ungefähr 30 Meter südlich gelegene Doppelsteinreihe verläuft dazu parallel, ragt aber mit 260 m Gesamtlänge auf beiden Seiten über die nördliche Doppelsteinreihe hinaus. Außerdem sind die Steine der südlichen Doppelsteinreihe tendenziell größer, insbesondere überragen einige Steine ihre Nachbarsteine deutlich. Beide Doppelsteinreihen werden an ihrem östlichen Ende von einem massiven Schlussstein begrenzt, der im Fall der nördlichen Doppelsteinreihe von kreisförmig angeordneten Steinen eingerahmt wird, wie man es auch in Carnac an manchen Steinreihenenden sieht. Im Westen endet die nördliche Doppelsteinreihe ohne einen besonderen Abschluss, während am westlichen Ende der südlichen Doppelsteinreihe zwei massive Schlusssteine stehen. Auffällig ist ferner eine ringförmige Ansammlung von Steinen, die sich ungefähr in der Mitte der südlichen Doppelsteinreihe befindet und 3-4 m im Durchmesser misst.

Ringförmig angeordnete Steine in der südlichen Steinreihe von MerrivaleDer ursprüngliche Zweck der Steinreihen ist unbekannt. Wir möchten die Deutung vorschlagen, dass es sich hierbei - ähnlich wie bei den Steinreihen von Carnac - um ein Kriegerdenkmal handelt. Eine steinzeitliche Stammesgruppe hat damit möglicherweise an einen Kriegszug erinnert, der von hier aus aufgebrochen ist, oder an eine Schlacht, die an diesem Hügel geschlagen wurde. Die Abstufung in den Größen der verwendeten Steine könnte auf Unterschiede in der Ausrüstung der Kämpfer oder ihren Rang hindeuten.

Im Dartmoor gibt es neben den Steinreihen von Merrivale noch ungefähr 70 weitere Steinreihen, die überwiegend einreihig oder doppelreihig sind. Die genaue Datierung ist schwierig, lediglich die Steinreihe am Cut Hill im nördlichen Dartmoor konnte anhand des Torfes unter einem der Steine mittels Radiokarbonmethode auf 3700–3540 v. Chr. datiert werden. Dass es so viele Steinreihen im Dartmoor gibt, würde nach unserer Deutung bedeuten, dass die Region umkämpft war oder von hier aus große Kriegszüge mit mehreren Streitkräften ausgingen, die jeweils mehrere Hundert Kämpfer umfassten.

Steinkammer

Steinkammer in MerrivaleUngefähr in der Mitte der beiden Doppelsteinreihen von Merrivale befindet sich wenige Schritte vor der südlichen Steinreihe  eine längliche Kammer im Erdboden, die senkrecht zum Verlauf der Steinreihen ausgerichtet ist. Die Kammer wird von aufrecht stehenden Steinen gebildet und von je einem Deckstein an den beiden Enden der Kammer abgedeckt. Der fehlende mittlere Deckstein liegt zerbrochen in der Kammer.

Die Bauweise lässt auf eine steinzeitliche Grabkammer schließen. In solchen Einzelgrabkammern wurden Stammesführer und andere bedeutende Persönlichkeiten bestattet. Falls die Kammer zeitgleich mit den  Doppelsteinreihen errichtet wurde, könnte es sich um das Grab des Anführers handeln, der hier mit seinen Kriegern in den Kampf gezogen ist. 

Steinkreise und Menhire

Steinkreis und MenhirMenhir in MerrivaleUngefähr 200 m entfernt von den Steinreihen gibt es einen Steinkreis von 18 m Durchmesser, der aus 11 kleinen Granitsteinen gebildet wird. Einige Schritte südlich davon steht ein über 3 m hoher Menhir, der die Szenerie dominiert. Um diesen Menhir herum befinden sich weitere kleine Granitsteine, die allerdings keine klar erkennbare Formation bilden. Weitere Menhire befinden sich gut sichtbar in mehreren hundert Metern Entfernung. Lässt man den Blick zum Horizont schweifen, stechen auffällige Granitformationen auf den umliegenden Hügeln ins Auge. 

Der große Menhir und der nördlich davon gelegene Steinkreis vermitteln einen zusammengehörigen Eindruck. Da die Steine, die den Steinkreis bilden, in sehr ungleichen Abständen angeordnet sind, kann vermutet werden, dass der Steinkreis ursprünglich mehr Steine umfasste. Auch um den großen Menhir scheinen nicht mehr alle ursprünglichen Steine vorhanden zu sein. Gleichwohl lässt sich mit recht großer Sicherheit vermuten, dass die Steine nach astronomischen Gesichtspunkten angeordnet waren und wahrscheinlich die Funktion eines Kalenders hatten. Ähnliche Steinkreise sind aus vielen Orten in Nordeuropa bekannt und dienten unseren steinzeitlichen Vorfahren vermutlich zur Bestimmung des richtigen Aussaatzeitpunkts für Getreide und andere Kulturpflanzen. Die Steinkreise erfüllten jedoch nicht nur einen praktischen Zweck, sondern sie waren wohl auch Orte ritueller Handlungen, bei denen man sich zu bestimmten Zeitpunkten versammelte. Die Grundausrichtung der steinernen Observatorien erfolgte typischerweise nach der Sommer- und Wintersonnenwende, die meist vorhandenen weiteren Steine lassen die Ausrichtung an weiteren Orientierungsmarken vermuten. Die verschiedenen kleineren Menhire und die Granitformationen auf den umliegenden Hügeln von Merrivale, die von dem zentralen Menhir aus gut sichtbar sind, wären als Peilmarken für einen astronomischen Kalender gut geeignet gewesen. Allerdings scheinen die Lagebeziehungen des Menhirs zu diesen Objekten in der Landschaft von Merrivale bislang nicht eingehend untersucht worden zu sein.

Rundhütten

In der Umgebung findet man zudem zahlreiche runde oder ovale Ansammlungen von Steinen. Archäologen sehen darin die Überreste von mehr als 50 Rundhäusern verschiedener Größe. Die Fundamente haben Abmessungen von bis zu 8 m. Einst waren diese Rundhäuser vermutlich mit Stroh gedeckt und hatten Außenwände aus Lehm. Die Menschen, die hier lebten, hielten wahrscheinlich hauptsächlich Schafe und Rinder.

Die Rundhäuser werden von Archäologen auf die Bronzezeit datiert. Die Siedlung wäre damit also deutlich später entstanden als die anderen Steinformationen. Warum die Siedler diesen Platz in unmittelbarer Nähe zu den mindestens 1.500 Jahre älteren steinzeitlichen Monumenten wählten, lässt sich nicht sagen.

Quellen:

 

Kommentare powered by CComment