Eine identische Aufgabe oder Funktion kann auf unterschiedliche Art und Weise erbracht werden. Wie das im konkreten Einzelfall geschieht, beschreibt das Geschäftskonzept.
Im Regelfall gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, das gleiche Ergebnis für eine Aufgabe oder Funktion zu erzielen. Die grundlegende Aufgabe bleibt dabei aber immer dieselbe. Was sich ändert, sind im Grundsatz stets die gleichen vier Teilfragen:
- Die Geschwindigkeit, mit der die Aufgabe erledigt wird,
- der benötigte Energieeinsatz,
- der benötigte Materialeinsatz oder
- die Qualität der Aufgabenerfüllung bzw. die im Kontext relevanten funktionalen Eigenschaften der Aufgabenerfüllung
(d.h. wie gut die geforderte Funktion im Einzelfall erbracht wird).
Bei diesen Änderungen dreht es sich dann nahezu immer um ein "schneller" in Bezug auf die Geschwindigkeit oder ein "geringer" in Bezug auf Energie- und Materialeinsatz. Bei der Frage der Qualität wird es jedoch schwierig, denn "Qualität" kann sehr viel verschiedenes beinhalten. Während die ersten drei Aspekte zumindest im Prinzip messbar und damit einer objektiven Bewertung zugänglich sind, ist der 4. Aspekt stets vom Kontext abhängig und liegt damit mit seiner Bewertung allein im Auge des Betrachters. Was für den einen eine gestiegenen Qualität bedeutet, kann für den anderen einen Rückschritt bedeuten.
In der Praxis ist es sogar noch etwas komplizierter, denn im Regelfall kann man auch eine grundlegende Aufgabe in Teilaufgaben zerlegen. Damit ergeben sich noch zwei weitere Variationsmöglichkeiten, die man allerdings auch als Variationen des vierten Punktes, der Qualität der Aufgabenerfüllung, betrachten kann: die erste Variation ist das Unbundling, d.h. Weglassen, von Teilaufgaben, die zweite Variation ist das ergänzen zusätzlicher Teilaufgaben. Wir tun dann so, als würden wir über die gleiche Funktion oder eine identische Aufgabe sprechen, in Wahrheit spricht man allerdings über unterschiedliche Dinge. Bildlich gesprochen ist dann der Vergleich zwischen den Aufgaben wie der Vergleich zwischen Äpfel und Birnen: es sind zwei völlig verschiedene Früchte. Dennoch sind beide ein Obst.
Eine ähnliche Frage, ob in diesen 4 Punkten nicht noch etwas fehlt, kann man auch in Bezug auf Geld/Kapital oder Personal stellen. Fehlen die nicht auch in der Liste? Nein, denn sie sind eigentlich nur Ersatzleistungen für einen oder mehrere der genannten 4 Punkte. Geld ist "nur" ein universales Tauschmittel und eventuell "Speichermedium" für vorher eingesetzte Energie und Material. Eine einzelne Person stellt quasi ein Bündel an Energie, Material und Fähigkeit zu Bereitstellung einer bestimmt Qualität dar. Um diese Fähigkeit zu erwerben, musste die Person diese vorher durch Aufwand von Energie und Material durch die eigene Ausbildung in sich investieren.
Die Fokussierung auf den funktionalen Gehalt einer Aufgabe sowie die geforderten Eigenschaften der Aufgabenerfüllung ermöglicht es, die tatsächlich im Wettbewerb stehenden Alternativen zu identifizieren.
In der historischen Entwicklung haben die Versuche zur Verbesserung der ersten drei Aspekte dazu geführt, dass sich immer komplexere technische Lösungen entwickelten. Dabei hat jede neue Lösung neue funktionale (Teil-)Aufgaben geschaffen, die als Bausteine notwendig sind, um die Gesamtlösung zu der primären Aufgabe überhaupt möglich zu machen.
Im Regelfall wird jeder neue Lösungsansatz die technische Komplexität steigern. Allerdings kann es gut sein, dass sich innerhalb einer langen vernetzten Wertschöpfungskette, die einem spezifischen Lösungsansatz zu Grund liegt, die technische Komplexität an ganz andere Stellen verlagert. Dabei kann es dann für Kunden sehr wohl dazu kommen, dass die für sie relevante technische Komplexität einer Lösung sinkt, weil sie an andere Stellen im Wertschöpfungsgeflecht verlagert wurde. Genau so gut kann es sein, dass eine neue Lösung die technische Komplexität für den Kunden steigt.
Nehmen wir die Türschlösser eines modernen Hotels als Beispiel. Anstelle von hoch-komplexen mechanischen Schlössern mit sehr vielen verschiedenen Schlüsseln, die bei Verlust oder versehentlicher Mitnahme durch den Gast nur teuer zu ersetzen sind, sind mechanisch vergleichsweise einfache Türschlösser mit elektronischen Schlüsseln in Form einer Magnetstreifen- oder Chipkarte oder eines Handy‘s mit App getreten. Die technische Komplexität von Türschlössern und Schlüsseln hat sich von der Mechanik im Türschloss in die Elektronik der Türschlösser, die Software zur Erzeugung und Verwaltung der Codes sowie die Übertragung dieser Codes an das Türschloss verlagert. Die Karten als Schlüssel (Träger des Codes) sind jedoch sehr einfach und billig zu ersetzen und das Smartphone hat fast jeder eh dabei. Ein deutlicher Vorteil für das Hotel. Der Hotelgast muss keinen Schlüssel mehr mit sich herumtragen. Aufwändige Anhänger, die einen Verlust oder versehentliches mitnehmen der Schlüssel bei der Abreise verhindern sollen, werden nicht mehr benötigt. Von den meisten wird dies wohl eher als Vorteil angesehen. Andererseits muss nun jede Tür eine elektrische Einrichtung zum Lesen des Codes und zur Entriegelung enthalten. Der Gast muss nicht mehr einen Schlüssel ins Schlüssellloch bugsieren und den Schlüssel drehen, sondern muss mit dem Lesegerät für den Schlüsselcode klar kommen, was mal mehr und mal weniger gut funktioniert. Die Aufgabe, das Hotelzimmer zu verschliessen und vom Gast individuell öffnen zu lassen, hat sich nicht verändert, aber sie wird auf eine gänzlich andere Art und Weise und in einer völlig neuen Qualität erfüllt.
Auch am konkreten Beispiel, eine Nachricht von einem Ort A zu einem anderen Ort B zu bringen, lässt sich dieses Prinzip erläutern. Bei der Bewertung, wie die Aufgabe erfüllt wird, kommt es dann auf die genannten 4 Kriterien an: die Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung, den dafür notwendigen Material- und Energieeinsatz sowie die Qualität der Nachrichtenübermittlung. Auch die prinzipiellen qualitativen Aspekte zur Bewertung der Nachrichtenübermittlung sind über die Zeit konstant geblieben: Im Regelfall soll sie flexibel (jederzeit und mit variablem Inhalt), zuverlässig und vertraulich erfolgen. Was allerdings nicht einschließt, dass jede spezifische Lösung zur Nachrichtenübermittlung diese verschiedenen Aspekte gleich gut erfüllt – ganz im Gegenteil.
Die Grundaufgabe der Übermittlung einer Nachricht hat sich nie geändert; die Art der Umsetzung unterlag im Laufe der Geschichte jedoch dramatischem Wandel
Greifen wir das andere oben genannte Beispiel nochmals auf: eine Nachricht von einem Ort A zu einem anderen Ort B zu bringen. In der simpelsten Form überbringt ein Bote die Nachricht persönlich. Der berühmteste Botenlauf der (westlichen) Geschichte ist dabei der von Marathon nach Athen. Die Zeit der Nachrichtenübertragung wurde dabei durch die Laufgeschwindigkeit des Boten bestimmt. Der Materialeinsatz war der Bote selbst sowie seine Kleidung und vor allem Schuhe, die er trug. Die Energie war die Nahrung, die er während des Laufs verbrauchte. Die Qualität der Nachrichtenübermittlung bei einem Boten ist dann im Regelfall davon abhängig, wie gut der Bote sich die Nachricht merken kann. Bewertet man diese Art der Nachrichtenübermittlung, dann sind der Geschwindigkeit klare Grenzen gesetzt, da ein Mensch nicht besonders schnell ist. Bei einer Laufzeit von ca. 3h hätte der Bote eine Durchschnittsgeschwindigkeit von ca. 14 km/h erreicht. Der „Materialeinsatz“ zumindest beim Marathonlauf der Legende von Plutarch und Lukian war prohibitiv hoch, da der Bote laut Überlieferung nach Überbringung der Nachricht zusammenbrach und gestorben ist. Der Energieeinsatz beim Dauerlauf waren ca. 3.400 kcal, was sich aus dem Energieverbrauch eines Menschen mit einem angenommenen Gewicht des Läufers von 80kg und der Strecke ergibt. Die Qualität einer derartig übermittelten Nachricht wird durch das Verständnis- und Erinnerungsvermögen des Boten begrenzt. Je „umfangreicher“ die Nachricht, desto mehr sinkt auch die Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung, denn das korrekte Lernen der Nachricht durch den Boten gehört zur Geschwindigkeit der Nachrichtenübermittlung dazu. Im Beispiel des Marathonlaufs war die Nachricht denkbar simpel, denn sie bestand aus: „Wir haben gesiegt!“.
Im Lauf seiner Entwicklungsgeschichte ist der Mensch auf die verschiedensten Möglichkeiten verfallen, immer komplexere Nachrichten immer schneller und zuverlässiger zu übermitteln. Mit jedem Entwicklungsschritt ist dabei der technische Aufwand gestiegen und häufig auch der Energieaufwand – nicht unbedingt nur bezogen auf den Aufwand für die einzelne Nachricht, sondern auch für den Vorbereitungsaufwand, der erforderlich ist, bevor auch nur die erste Nachricht übermittelt werden kann. Im Gegenzug für diesen “Vorbereitungsaufwand“ konnte inzwischen die Geschwindigkeit der Nachricht bis hin zu annähernd Lichtgeschwindigkeit erhöht werden, indem es gelang, die Nachricht von einem physikalischen Trägermedium zu trennen und in eine reine elektrische/photonische Signalweitergabe zu verwandeln. Auch der physikalische Transport von Nachrichten hat sich gegenüber dem Boten von Marathon dramatisch beschleunigt, indem immer mehr technische Hilfsmittel für den Transport entwickelt wurden bis hin zur heutigen Luftfracht und neuen Zukunftsvisionen für Transport wie dem Hyperloop.
Auch die Entwicklung der elektrischen Übermittlung von Nachrichten ist mit dem heute erreichten Stand nicht zum Erliegen gekommen, sondern setzt sich unvermindert fort. Dabei entstehen immer neue Möglichkeiten der Kombination vorhandener und neuer Elemente, die immer neue Eigenschaften für die zu erbringende Transportleistung schaffen. Aktuellstes Beispiel ist die Einführung des Mobilfunkstandards der 5. Generation, der letztlich „nur“ die Geschwindigkeit für große Nachrichtenvolumina in der mobilen Übertragung weiter erhöht und die Latenz verringert. Damit schafft er neue Möglichkeiten der Flexibilität bei großen Datenmengen und ist dadurch seinerseits ein neues Element, das neue Variationen in anderen Geschäftskonzepten ermöglicht.
Die Trennung der Nachricht von Ihrer körperlichen Bindung an einen Datenträger beim Transport hat gleichzeitig eine Vielzahl neuer Probleme in Bezug auf die Qualität der Nachrichtenübermittlung aufgeworfen. Diese reichen von der Zuverlässigkeit der Übertragung bis hin zur Vertraulichkeit der Nachricht, da die Kerneigenschaft der puren Daten der Nachricht ohne körperliche Bindung an einen Datenträger ist, dass sie beliebig kopierbar sind und damit nicht vertraulich.
Bei der hier dargestellten Betrachtung der Aufgabenerfüllung bzw. Funktion eines Geschäfts geht es jedoch allein um die Frage der Funktionsfähigkeit des Geschäftskonzepts. Die anderen Aspekte, die zur vollständigen Beschreibung eines Geschäftskonzepts dazu gehören, die Wettbewerbsfähigkeit, Werthaltigkeit und Überlebensfähigkeit müssen im Folgenden darüber hinaus zusätzlich betrachtet werden.
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